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Bigwall-Erlebnisse
Thomas Tivadar
Cochamo: Bigwall-Erschließung 2003/2004
Nach fast acht Wochen Abenteuer sind T
HOMAS
T
IVADAR
und S
TEPHAN
S
CHANDERL
Ende Ja-
nuar 2004 von ihrer Erschließungsfahrt aus dem noch wenig erschlossenen und hierzulande fast
unbekannten chilenischen Bigwall-Gebiet Valle Cochamo im Regenwald der nördlichen Grenzge-
biete von Patagonien zurückgekehrt.
Das begrünte Tal, das erstmalig 1998 Kletteraktivitäten sah, birgt ein riesi-
ges Potential an Granitwänden bis zu 1.000 Meter Höhe.
Angekommen im meeresnahen Tal erfuhren wir Mitte Dezember2003 win-
terliche Verhältnisse: trostloser Dauerregen, Schneefall und Lawinen tagelang.
Erst nach Weihnachten kam der Sommer schleppend an. Bis dahin gingen wir
auf Erkundung der umstehenden Wände und schlugen an drei Arbeitstagen
einen Zustieg zu einem noch nicht bestiegenen Berg durch den Dschungel. Der
Berg wurde kurzerhand „Punta Bayerland“ getauft und nach Vorarbeiten noch
im nassen Zustand am 29. Dezember durch die Südwand erstbestiegen. Die
Route hatte 23 zum Teil sehr grüne Seillängen und wurde so „Alter Garten-
weg“ genannt (23 Sl. US IV 5.10a A0). Im Basecamp war derweil unsere ver-
steckte Expeditionskasse geplündert worden.
Nach drei Schönstwettertagen, die wir wegen der Anzeige bei der örtlich
sehr dürftig ausgerüsteten Polizei verloren, ging die Erschließung weiter. Ziel
war diesmal eine Bigwall-Direttissima durch die 800 m-Südwand der Punta
Bayerländer. Das Wetter hielt noch einigermaßen, so kletterten und fixierten
Steff und ich eine neue Seillänge nach der anderen, zu einem von unten schon
ausgemachten Verschneidungssystem. Schöne Platten, traumhafte Ecken,
Techno-Passagen und auch Grünzeug-Kratzen gaben uns genug Abwechslung.
Am 13. Januar starteten wir durch, kletterten unsere Route in vier Tagen bis
zum Top-Dschungel zu Ende und seilten über die Wand zum Einstieg ab.
Die 18 Seillängen des „1000-Dollar Gedächtnisweg“ verlangten Schwierig-
keiten von US VI 5.11b A4c bei einem Hardware-Einsatz von 20 Beaks bis 50
Friends (davon 10 über Größe 5). Ruhetage und der Rücktransport des Materi-
als standen in den folgenden Tagen auf dem Programm.